Mahnendes Erinnern an Bomberabsturz bei Kammerstein

KAMMERSTEIN – In Kammerstein ist am Mittwoch ein Stück Geschichte lebendig geworden. Eine Reporterin des Bayerischen Rundfunks (BR) hat die Absturzstelle eines britischen Bombers aus dem Zweiten Weltkrieg besucht, um mit dem Landtagsabgeordneten Volker Bauer und mehreren Zeitzeugen zu sprechen. Anlass waren 80 Jahre Weltkriegsende.
Der Vorfall vom 16. März 1945, bei dem eine Lancaster-Maschine der Royal Air Force (RAF) abstürzte, steht im Mittelpunkt einer langjährigen Recherche. Bauer, der sich seit den 1990er-Jahren mit dem Absturz beschäftigt, führte die Reporterin über das Feld. Dort präsentierte er Teile vermutlich aus dem Flugzeug und schilderte den tragischen Hergang.
Paralle zwischen dem Luftkrieg über der Noris und modernen Kriegen: Zivilisten mitbetroffen
Volker Bauer, hat über die Jahre systematisch das Feld durchsucht, auf dem der Bomber in Flammen aufschlug. Er zeigte der Radio-Journalistin eine Sammlung von Artefakten, die er dort geborgen hat: Drei Patronenhülsen, ein Motorteil, vermutlich vom Rolls-Royce-Merlin-Antrieb der Lancaster, ein Brillenglas, eine Aluminiumgabel sowie weitere Metallteile. Diese Funde zeugen von der Gewalt des Absturzes und der Ausrüstung der siebenköpfigen Besatzung unter Pilot Jacob „Jack“ Goldstein. Er war der einzige, der den Absturz nicht überlebt hat. Heute ist er auf einem Friedhof für Commonwealth-Soldaten in Gmund am Tegernsee bestattet.
„Die Stücke erzählen eine Geschichte von Mut und Zerstörung“, erklärte Bauer der Reporterin. Kammersteins Erster Bürgermeister Wolfram Göll sagte, die Ereignisse der März-Nacht 1945 zeigten, „dass der Krieg alle betrifft, sogar das kleine und friedliche Kammerstein, denn man mag sich gar nicht ausmalen, was das für das Dorf bedeutet hätte, wenn der Bomber nicht auf dem Feld, sondern mitten in Kammerstein abgestürzt und explodiert wäre.“
Bauer beschrieb den Absturz aus seinen Forschungen heraus detailliert: Der Bomber war Teil eines Nachtangriffs auf den Nürnberger Rangierbahnhof, als er von deutschen Nachtjägern von Roth aus attackiert wurde. Die Maschine geriet unweit von Nürnberg in Brand. In Flammen sei die Maschine noch über Haag und Kammerstein hinweg geflogen und dann einige hundert Meter vom alten Ortskern in ein Feld abgestürzt. „Es hätte eine noch viel größere Katastrophe gegeben, wenn das Flugzeug in den Ort gestürzt wäre“, sagte Bauer.
Der CSU-Politiker sah darin eine klare Mahnung zum Frieden, plädierte aber auch für eine wehrhafte Demokratie. „Wohlstand und Freiheit sind zerbrechlich“, stellte er fest. Das sehe man derzeit drastisch in der Ukraine und in Nahost. „Daher müssen sich alle Generationen gemeinsam für Frieden, Freiheit und Demokratie einsetzen.“
Zeitzeugen berichten von Druckwelle – und der Nachnutzung gefundener Bomberteile
Der Ortstermin wurde durch die Berichte von vier Zeitzeugen bereichert, die die Ereignisse von 1945 aus erster Hand oder familiärer Überlieferung schilderten. Ihre Aussagen unterstreichen, wie der Krieg das Leben in der ländlichen Region prägte. Die 84-jährige Babette Bauer erinnerte sich lebhaft an die Nutzung der geborgenen Materials: „Eine Kammersteiner Familie hat aus der Fallschirmseide ein Brautkleid genäht.“
Ihr 87-jähriger Bruder Heinrich Volkert ergänzte: „Die Druckwelle des Absturzes hat Schäden an unserem Wohnhaus verursacht. Fenster zerbrachen, und die Erschütterung war enorm.“ Der 91-jährige Hans Gsänger teilte eine persönliche Entdeckung: „Ich habe eine Pistole für Leuchtkugeln gefunden, die aus dem Wrack stammte.“ Als Jugendlicher in der Nähe der Stelle unterwegs, barg er den Gegenstand, der Teil der Notfallausrüstung der RAF-Crew gewesen sein könnte. Gsängers Bericht unterstreicht die Neugier und das Risiko, mit dem Kinder die Absturzstelle erkundeten, die anfangs frei zugänglich war.
Der 70-jährige Thomas Lehner berichtete von den Erlebnissen seines Großonkels Thomas Lehner. Er war 1945 16 Jahre alt. „Mein Großonkel wohnte nur 500 Meter von der Absturzstelle entfernt. Als er den Schutzraum verlassen wollte, warf ihn die Druckwelle die Kellertreppe zurück.“ Diese Schilderung verdeutlicht die physische Gewalt des Einschlags und die Angst in den Luftschutzkellern.
Den Zeitzeugen und Volker Bauer gelang es, ein lebendiges Bild der Ereignisse vom März 1945 zu skizzieren: Eine klare Nacht, in der deutsche Nachtjäger die alliierten Bomberströme attackierten. In derselben Nacht stürzte eine weitere Lancaster in Schwabach ab, was die Intensität des Luftkriegs in Mittelfranken unterstreicht. Der Ortstermin war ein berührender Moment, in dem Vergangenheit und Gegenwart aufeinandertrafen. Ein Zeugnis dafür, dass Geschichte in den Feldern Mittelfrankens noch immer greifbar ist.
(mit freundlicher Genehmigung durch Robert Schmitt)