Die neue Art Landwirtschaftspolitik zu denken

Thalmässing (dn) „Auweh, was ham mer etz da“, sei der erste Gedanke des BBV-Kreisobmanns und CSU-Landwirtschaftspolitiker Thomas Schmidt gewesen, als er von der Ernennung der Berchtesgadener Gastwirtstochter Michaela Kaniber zur Bayerischen Landwirtschaftsministerin erfuhr. In den letzten Monaten haben die bayerischen Landwirte ihre Ministerin kennen und schätzen gelernt. Am Donnerstag besuchte Kaniber auf Einladung des CSU-Landtagsabgeordneten Volker Bauer Thalmässing. In Kanibers Fachfremde sieht Schmidt einen Vorteil, wie er bei seiner Begrüßung am neugebauten Dorner-Stall am Industriegebiet betont. „Sie tut uns gut, weil sie uns und ihr Haus mit den Augen der breiten Gesellschaft sieht, nachfragt statt vorschreibt und vor allem ein Grundvertrauen in die gute Ausbildung von uns Landwirten hat. Das ist eine neue aber richtige Art Landwirtschaftspolitik zu denken; sich in Berlin und Brüssel für die bayerische Landwirtschaft einsetzen, aber den Menschen in Bayern auch zu sagen, dass sie uns genauso vertrauen können wie ihrem Zahnarzt oder KfZ-Mechatroniker.“

Bei der Stallführung durch Peter und Ludwig Dorner mit Vertretern der heimischen Landwirtschaft und den CSU-Kreisrätinnen Cornelia Griesbeck und Ulla Dietzel kamen unter anderem die Auswirkungen des Dürresommers und die aktuelle Diskussion um die Ferkelkastration zur Sprache. Schmidt dankte für die spontane Bereitschaft der Staatsregierungen die Landwirte in der Dürresituation zu unterstützen, mahnte aber die Schweinehalter und alle anderen Betriebszweige   mit zu beachten. Als Betroffener erklärte Werner Bernreuther aus Landersdorf, dass es trotz Förderung zu frühzeitigen Rinderschlachtungen gekommen sei. Durch das Überangebot an Fleisch seien die Preise nicht nur für Rind, sondern auch für Schweinefleisch gefallen. Ebenso wie Rinderhalter seien auch Schweinebauern von der Dürre betroffen, hätten beim Zukauf aber ohne Förderung das Nachsehen. Ministerin Kaniber versprach hier Fördermöglichkeiten zu prüfen. Enttäuscht mit Blick auf die Solidarität in Notsituationen sei sie jedoch gewesen, als am Tag der Bekanntgabe der Förderung die Futtermittelpreise um 100 Prozent stiegen.

Nach Begrüßung durch den CSU-Ortsvorsitzenden Michael Kreichauf und Volker Bauers Appell an die Landnutzer zur Geschlossenheit, ging die Ministerin im zweiten Teil des Abends bei ihrem Vortrag auf dem Thalmässinger Marktplatz, im Biergarten wieder der Familie Dorner, vor rund 90 interessierten Zuhörern auf die Ferkelkastration ein. Kaniber selbst hätte gerne die Kastration mit lokaler Betäubung durchgebracht. „Aber weil in Berlin nicht aufgepasst wurde und „absolute Schmerzausschaltung“ ins Tierschutzgesetz aufgenommen wurde, funktioniert dies, auch durch die starke Stellung der NGOs, nicht. Dabei gibt’s absolute Schmerzausschaltung noch nicht mal für Menschen, man denke an den letzten Zahnarztbesuch“, so die Berchtesgadenerin. Ihr Ziel sei deshalb zusammen mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eine, auch für kleinere Betriebe praktikable Lösung, mit optimalem Tierschutz auf den Weg zu bringen.

Auch beim einem weiteren „Bauchwehthema“ (Kaniber) zeigt sich die Ministerin entschlossen. Es sei für sie unerlässlich, dass vor allem junge Menschen, die sich auf die Herausforderung Hofübernahme einlassen, faire und beständige Rahmenbedingungen vorfinden. Bei der Förderausgestaltung, oder bei dem in der Diskussion stehenden Verbot der Anbindehaltung sei dies wichtig, da 61 Prozent der Milchviehhalter im Freistaat noch in Ställen mit Anbindehaltung wirtschaften. „Wenn es uns nicht gelingt eine lange Übergangsfrist für bestehende Ställe auf den Weg zu bringen, gehen in Bayerns Landwirtschaft die viele Lichter aus und wir erleben einen Strukturbruch“, so Kaniber. Ihr Landtagskollege Volker Bauer machte den Landwirten jedoch Mut: „Wenn Michaela für etwas brennt, dann Obacht, dann rappelt’s im Karton, bis sie das hat, was sie will!“

Diese kämpferische Seite an der sonst emphatisch-sympathischen Oberbayerin blitzte durch, als das Thema auf die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU kam. „Weniger Unterstützung und weniger Geld bei höheren Auflagen. Dieses vorgelegte Angebote ist für unsere Landwirte nicht fair. Das habe ich in Brüssel auch unter anderem gegenüber Landwirtschaftskommissar Hogan deutlich gemacht“, so Kaniber. Ihr gehe es vielmehr darum, bei der Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik regionale Gestaltungsspielräume und die besondere Förderung der ersten Hektare bei den Direktzahlungen zu erhalten sowie Bürokratie – etwa bei Ohrmarken – abzubauen. Schockiert sei sie von Kollegen anderer politischer Couleur gewesen. „Wenn die Grünen sagen „Direktzahlungen ok, aber nur bei schärferen Umweltauflagen“, wenn die SPD sagt „Auslaufen lassen der Direktzahlungen denkbar“ und wenn die FDP sagt „für was brauchen Landwirte überhaupt Förderungen“, dann glaube ich können die Landwirte in Bayern froh sein, dass es die CSU gibt!“

Auch bei der aktuellen Diskussion um Flächenverbrauch habe sich die Staatsregierung mit dem Eigentumspakt schützend vor die Landwirte gestellt und eine frühe, umfängliche und auf Augenhöhe geschehende Beteiligung der von Biotop-Ausweisung oder Infrastrukturprojekten betroffenen Landwirte festgeschrieben. Zudem kämpft die Staatsregierung beim Stromtrassenbau für wiederkehrende Entschädigungen für betroffene Landwirte.

Bevor sich die Ministerin Zeit für Gespräche an den Biertischen nahm, wandte sie sich kritisch an die Verbraucher und den Lebensmitteleinzelhandel. Als Gastwirtstochter habe sie gelernt, dass man mit Lebensmitteln weder spielt, noch sie wegwirft, noch sie verschleudert. Vieles davon geschehe in Bayern zu ihrem Ärger tagtäglich. Den Landwirten und speziell den Landfrauen dankte sie hier für ihren aufklärenden Einsatz und unterstrich mahnend: „Was und wo wir einkaufen entscheidet darüber, wie unsere Heimat zukünftig aussieht.“

Ihre größte Stärke spielt die Ministerin nach dem offiziellen Teil bei den Gesprächen an den Tischen aus. Tabakbauer Thomas Burk oder Milchviehhalter Rainer Hechtel sind regelrecht begeistert von der interessierten und offenen Ministerin, die sich viel Zeit nimmt um die Anliegen jedes Einzelnen im persönlichen Gespräch kennenzulernen. „Dafür nehme ich mir Zeit, das ist mir am Wichtigsten aus der Praxis zu lernen“ erklärte sie dazu am Vortrag ihres Geburtstages. Auch wenn sie damit den ein oder anderen in die Bredoullie bringt. So ging Thomas Schmidt davon aus, nach dem bis 19.15 Uhr angesetzten Besuch noch rechtzeitig die Stadtratssitzung in Greding zu erreichen. Als er sich dann um 20.30 Uhr tatsächlich auf den Weg nach Greding macht ist Kaniber immer noch im Gespräch, über heimisches Soja, die Bewässerung im Spalter Hügelland oder die Probleme der Schweinezüchter. Die meisten der Besucher werden nach dem Besuch hoffen, Michaela Kaniber als Ministerin wiederzusehen.