Friede unseren Völkern

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Roth/Kaluga (dn)
Am 9. Mai 2015 jährt sich zum 70. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs. Mit der Kapitulation Deutschlands ging ein Unrechtsregime unter, an das sich nicht mehr viele Menschen erinnern können, für das aber unzählige ihr Leben ließen. Einer davon war Georg Volkert, geboren 1912 in Rittersbach. 1942 wurde der Großvater des heutigen Landtagsabgeordneten Volker Bauer etwa 250 Kilometer westlich Moskaus von Partisanen erschossen.Nachdem ihm seine Großmutter vor 20 Jahren die Gefallenmeldung gezeigt hatte, ließ den CSU-Politiker dieses Stück Familiengeschichte nicht mehr los. Jetzt, Ende April, machte sich Bauer nach langer Recherche auf, das verschollene Grab seines Großvaters zu suchen und mit letzten Zeitzeugen über Krieg und Frieden zu sprechen. Begleitet wurde Bauer von seinem Onkel Heinrich Volkert, dem Sohn des Kradmelders Georg Volkert.

„Wer das [Krieg] einmal mitmachen musste, will es nie mehr erleben.“

„Es waren sehr bewegende Momente“, kommentierte Volker Bauer den Nachmittag im Dorf Kuzminichi im Oblast Kaluga. Bewegend auch deshalb, da es dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge bislang nicht gelungen ist, das Grab von 150 deutschen Soldaten exakt zu lokalisieren. „Bislang hat keiner nach diesen 150 Soldaten gefragt. Wir sind unglaublicherweise die ersten“, zeigte sich Bauer betroffen. Nach mehreren Anrufen und Anfragen bei Dorfbewohnern durch die Kulturbürgermeisterin Kuzminichis Timohovskaya konnte schließlich ein Kornfeld im Zentrum des heutigen Dorfes als vermeintliche Grabstätte ausgemacht werden. „Ich kann das in gewisser Weise verstehen. Die Deutschen haben hier bei ihrem Rückzug alles niedergebrannt und die Gräber unkenntlich gemacht, damit die Sowjets nicht, wie anderen Orts, mit ihren Panzern darauf Kreise drehen“, kommentierte Heinrich Volkert die Tatsache, dass den Toten bis jetzt nicht angemessen gedacht wurde.

Im nächsten Jahr soll sich dies ändern, so der russische Vertreter des Volksbunds. Dann sollen die Gebeine der deutschen Soldaten vom Kameradengrab in Kuzminichi auf die zentrale Gedenkstätte in Kirov umgebettet werden. Deshalb setzten Volker Bauer, MdL und Heinrich Volkert im Beisein russischer Lokalpolitiker ihrem Vorfahren, stellvertretend für alle begrabenen Deutschen, ein Gedenkkreuz auf dem nahegelegenen Gelände der Gedenkstätte für gefallene sowjetische Soldaten. Auf dem Kreuz prangt in kyrillischen Lettern die Inschrift: „Frieden unseren Völkern“. „Treffender als mit dieser Botschaft an dieser Stelle, kann man es nicht sagen“, so Volker Bauer. Für ihn war es auch selbstverständlich, dass er, als Nachfahre des gefallenen Wehrmachtssoldaten Georg Volkert, aber auch als aktueller politischer Verantwortungsträger, Blumen an zwei sowjetischen Mahnmalen niederlegte. „Zum Gedenken an die Gefallenen aller Völker und daran, dass Frieden auch 70 Jahre nach dem Krieg nicht selbstverständlich ist“, wie Bauer betonte.

Der für die kleine bayerische Reisegruppe emotionalste Moment war jedoch der Besuch beim 79-Jährigen Dorfbewohner Ivan. Für Volker Bauer ging damit ein Wunsch in Erfüllung. Nachdem er bei der Recherche nach dem Grab seines Großvaters auf ein Foto mit einigen Kindern aus dem Dorf Kuzminichi gestoßen war, hatte er gehofft noch auf Zeitzeugen zu treffen, die aus der Zeit des Vor- und Rückmarsches der Wehrmacht berichten können. Zwar erklärte Ivan, er selbst sei nicht auf dem Foto, lediglich sein Cousin, jedoch könne er sich noch deutlich an die Kriegsjahre erinnern. Bei Wodka, Gurken und Pökelfleisch erzählte er, dass die Wehrmacht sich in Kuzminichi – anders als an anderen Orten – „anständig aufgeführt“ habe. Sie als Kinder hätten gelegentlich sogar Schokolade von den Soldaten bekommen. Nur einmal habe er Ärger mit den deutschen Soldaten bekommen. Da habe er ihnen aber auch eine Leuchtpistole „entwendet“, erzählte Ivan schmunzelnd.

Beeindruckt lauschten die deutschen Gäste auch seinen Schilderungen, dass er – nachdem die Wehrmacht auf ihrem Rückzug aus strategischen Gründen das Dorf niedergebrannt hatte – als 10-Jähriger in ein Gefangenenlager in Polen kam und sich dann den Partisanen anschloss. Trotz der bewegenden Lebensgeschichte zeigte er keine Spur von Verbitterung oder Hass. Im Gegenteil. Nachdem Volker Bauer erklärte, er könne zwar nur als Nachgeborener um Entschuldigung für das erlittene Schicksal bitten und als verantwortlicher Bürger und Politiker alles dafür tun, dass sich Geschichte nicht wiederholt, entgegnete der alte Russe, das sei eben Krieg gewesen und „wer das einmal mitmachen musste, will es nie mehr erleben.“