Kinderarzt für HIP – Spielräume für Stadt?

Hilpoltstein/Parsberg (sst) Etwa 13.500 Menschen wohnen in der ehemaligen Kreisstadt Hilpoltstein, rund 7.000 in Parsberg. Beide Städte boomen und halten für ihre Einwohner Bildungsangebote von KiTa bis Abitur bereit. In Parsberg kann man bald sogar studieren. Der Grund, warum man im südlichen Landkreis Roth durchaus neidisch in den Nachbarlandkreis blickt ist ein anderer. In Parsberg gelang es Bürgermeister Josef Bauer (CSU) den wichtigen Kinderarztsitz zu erhalten – seinem SPD-Amtskollegen in Hilpoltstein nicht. Seit mehreren Jahren pendeln daher vornehmlich Mütter aus Hilpoltstein, Heideck, Thalmässing und Greding mit ihren Kindern nach Roth, Schwabach, Nürnberg oder Neumarkt – wenn sie es schaffen bei einem Kinderarzt angenommen zu werden. Aus diesem Grund begaben sich die CSU-Kreisräte Volker Bauer, Cornelia Griesbeck und Hilpoltsteins stv. Bürgermeisterin Ulla Dietzel, begleitet von der Vorsitzenden der Frauenunion Hilpoltstein Britta Saponaro nach Parsberg, um von Bürgermeister Josef Bauer und dem Geschäftsführer des Medizinischen Versorgungszentrum für Kindermedizin Dr. Wolfgang Bärtl das Geheimnis des Parsberger Erfolgs zu erfahren.

Hintergrund ist, dass die medizinische Versorgung in Deutschland nicht staatlich organisiert ist, sondern durch Mediziner, Kliniken und Krankenkassen in Selbstverwaltung erfolgt. In der Vergangenheit wurde die Niederlassungsfreiheit von Ärzten eingeschränkt. Seither entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) mit Blick auf die im Planungsbereich bereits niedergelassenen Ärzte, ob weitere Sitze vergeben werden. Im Planungsbereich Roth, zu dem der Landkreis Roth und die Stadt Schwabach gehören, liegt aktuell eine minimale Überversorgung bei Kinderärzten vor. Jedoch zentrieren sich diese in Roth, Schwabach und Wendelstein. Der Altlandkreis HIP schaut in die Röhre. „Kein Zustand!“ sagte die FU Hilpoltstein im vergangenen Jahr und strengte eine Petition an die KVB an.

Stolze 700 Unterschriften konnten übergeben werden. Auch Gesundheitsministerin Melanie Huml brachte Landtagsabgeordneter Volker Bauer 2017 nach Hilpoltstein und appellierte gegenüber Ihr und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Niederlassungssperre bei Kinder- und Hausärzten zu lockern. Die Forderung scheint auf Gehör gestoßen zu sein. Der Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das im Frühjahr im Bundestag verabschiedet werden soll, sieht die Aufhebung der Niederlassungsbeschränkung u.a. für Kinder- und Hausärzte auch in überversorgten ländlichen Gebieten vor. „Das wäre ein großer Wurf. Ulla Dietzel und ich haben den Bundesminister bei seinem Besuch in Büchenbach gebeten, hier standhaft zu bleiben“, berichtete die FU-Bezirksvorsitzende Cornelia Griesbeck und fügte an: „das bringt uns aber noch keine Kinderärzte, die in Hilpoltstein eine Praxis eröffnen.“ Dr. Bärtl stimmte zu. Zu seiner Sorge scheuten immer mehr Mediziner das unternehmerische Engagement und zögen eine Anstellung vor.

Auch der Parsberger Kinderarztsitz sei mit dem altersbedingten Ausscheiden der ehemaligen Kinderärztin akut bedroht gewesen. Die kindermedizinische Versorgung zwischen Dietfurt, Neumarkt, Kelheim und Nittendorf wackelte. Nachdem sich über Monate kein Nachfolger fand, stieß Dr. Bärtl ein Modell an, das künftig weitere Nachahmer im ländlichen Raum finden könnte: Getreu dem Motto „in der Region Verantwortung für die Region übernehmen“ schlossen sich 25 Ärzte aus dem Landkreis Neumarkt und das Klinikum Neumarkt mit jeweils 50 Prozent Anteilen zu einer GmbH zusammen und stellten am MVZ zwei junge Ärztinnen in Teilzeit an. Die Kommune tritt in den renovierten Räumlichkeiten des ehemaligen Landratsamtes als Vermieter auf und ermöglichte so den Neustart außerhalb des alten Krankenhauses auf einer Etage mit dem Kindergarten. „Die hier an den Tag gelegte Synergie und das Engagement der Beteiligten beeindrucken. Manchmal machen eben Anpacker in den Kommunen den Unterschied. Hier müssen wir nicht nur im Hinblick auf die Kinder- und Hausärzte, sondern auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung und ambulante Palliativ-Angebote umdenken“, so Dietzel.

Abschließend ermunterte Dr. Bärtl die Gäste aus dem Kreis Roth „die Petitionsebene (zu) verlassen“. Dadurch, dass die KVB mit dem neuen Gesetz wohl, zum Missfallen auch der sie finanzierenden Ärzte, verpflichtet werde, in von Unterversorgung bedrohten Gebieten Eigenversorgungseinrichtungen zu betreiben, verbessere sich die Position derjenigen, die bereits heute weitere Kinderarztsitze zur effektiven Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum fordern. Als Impuls gab er der CSU-Delegation aus dem Kreis Roth außerdem mit auf den Weg, dass sich neben Medizinern und Kliniken auch Kommunen als Gesellschafter an der Begründung von Medizinischen Versorgungszentren beteiligen könnten. Für CSU-Landtagsabgeordneten Volker Bauer ist deshalb klar: „Die medizinische Versorgung ist genauso wichtig wie Infrastruktur und Bildungsangebote vor Ort. Es würde wohl leichter wieder einen Kinderarzt nach Hilpoltstein zu bekommen, wenn sich von der Stadt, über den Kreis bis in die Ärzteschaft genügend Beteiligte finden, die Verantwortung für die Region übernehmen wollen.“

Mit freundlicher Genehmigung durch Robert Schmitt